Resumé – 30 Jahre längere Öffnungszeiten im Einzelhandel – was haben wir dadurch erreicht ?

Als ich diese Woche mit meiner Frau in unserem Lieblings-Cafe Padeffke in Balingen zum Frühstück saß, was wir hin und wieder mal gerne tun um wichtige Dinge zu besprechen zu denen wir zu Hause und im Büro nicht kommen, durften wir bei unserem „Gute Laune“-Frühstück ein interessantes Gespräch über die Öffnungszeiten der regionalen Geschäfte unter dem Jahr und ganz speziell zu der Vorweihnachtszeit mit anhören. Dazu sind mir dann folgende Tatsachen aufgefallen, die ich gerne mit Ihnen mal teilen möchte und Sie zum Nachdenken anregen möchte.

Haben wir durch die längeren Ladenöffnungszeiten wirklich mehr Freiheiten und mehr Freizeit ?

Zunächst machten sich die noch jungen Bundesländer ihre jeweils eigenen Ladenöffnungsgesetze. 1952 wurden diese jedoch vom Bundesverfassungsgericht einkassiert.

Eine bundesweit einheitliche Regelung sollte geschaffen werden, damit gleiche Voraussetzungen für alle herrschen. Nach heftigen Debatten im Parlament wurde 1956 endlich ein Bundesgesetz über den Ladenschluss beschlossen. Darin stand, wann die Geschäfte zu sein müssen:

an Sonn- und Feiertagen, montags bis freitags bis sieben Uhr und ab 18.30 Uhr, sonnabends bis sieben Uhr und ab 14 Uhr. Nur an den vier Samstagen vor Weihnachten ist erst um 18.00 Uhr Feierabend. Diese Regelungen sind dann 1957 in Kraft getreten.

Immer wieder wurde vom Handel versucht, die Vorschriften zu lockern. Eine Änderung scheitert aber regelmäßig am Bollwerk aus Gewerkschaften und den Geschäftsinhabern, für die sich längere Öffnungszeiten nicht lohnen und die ihre geschäftliche Existenz daher durch Einkaufszentren bedroht sehen. Ebenfalls gegen eine Lockerung sind die Kirchen, die für einen arbeitsfreien Sonntag kämpfen. Die Wende kam am 5.Oktober 1989, als der „Lange Donnerstag“ eingeführt wird. Die Geschäfte dürfen an diesem Wochentag bis 20.30 Uhr offen bleiben. Mitte der 1990er Jahre bringt die Regierung, die erste beachtliche Ausweitung des Ladenschlusses auf den Weg – beflügelt von Studien, die ein Umsatzplus von 20 Milliarden Mark vorhersagen. Am 1. November 1996 tritt das neue Ladenschlussgesetz in Kraft. Die Öffnungszeiten werden werktags von 18.30 Uhr auf 20.00 Uhr sowie samstags von 14.00 Uhr auf 16.00 Uhr ausgedehnt. Dafür fällt – ausgenommen an den vier Wochenenden vor Weihnachten – der „Lange Samstag“ weg.

Für die Kunden bedeutet das eine Verbesserung. Statt wie bisher 64,5 Stunden pro Woche können sie jetzt wöchentlich 80 Stunden einkaufen.(Dazu später mehr) Weitere Liberalisierungen folgten:

Ab Juni 2003 konnten Geschäftsleute ihre Läden an Samstagen wie schon an den anderen Werktagen bis 20.00 Uhr öffnen. Drei Jahre später wird der Spielraum noch größer, als die Entscheidungskompetenz über die Ladenöffnungszeiten wechselt. Nach der Föderalismusreform entscheidet nicht mehr die Bundes-, sondern wieder die Länderebene: Ab 2006 ist Ladenschluss erneut Ländersache. Jedes Land kann nun die Öffnungszeiten regional anpassen. Allein die Sonntagsruhe bleibt per Arbeitszeitgesetz geschützt. Erlaubt sind aber Ausnahmen wie zum Beispiel verkaufsoffene Sonntage.

Sind das wirklich Verbesserungen für den Kunden gewesen, und zu welchem Preis?

Als erstes möchte ich aber fair bleiben und gebe auch zu das ich ebenfalls nach 18:30 Uhr schon einkaufen war, ebenso wie ich Samstags am Abend auch noch schnell etwas besorgen ging. Doch muss ich mir hier auch die Frage stellen, ob dies notwendig war? Ehrlich gesagt nicht, den ich hätte früher daran denken können, oder etwa warten müssen bis die Läden wieder geöffnet sind.

Schlichtweg es ist reine Bequemlichkeit und natürlich auch ein wenig verwöhnt und heran gezogen, den ohne lange zu überlegen, ich habe ja die Möglichkeit dazu.

Fazit: Und was ist jetzt daran so schlimm, bequem, verwöhnt zu sein ?

Erstmal rein gar nichts, doch die Vorgehensweise und das was wir vorgegaukelt bekommen ist schon dreist und frech.

Bekommen wir nicht gesagt wir haben dadurch mehr Freiheit und nach einer Studie wurden auch 20 Milliarden Umsatzplus behauptet:

„Niemand wird mehr essen, mehr anziehen oder sich noch stärker seinen Hobbies widmen, weil er länger Zeit zum Einkaufen hat. Der Umsatz wird nicht steigen, das Kundenverhalten wird sich ändern.“

Josef Röll, IHK Ulm

Das Handelsblatt schreibt schon am 01.06.2004 dazu.

Die bis zu vier Stunden längeren Öffnungszeiten haben weder das erhoffte Umsatzplus noch mehr Beschäftigung gebracht“, sagt Franziska Wiethold, für den Handel zuständiges Vorstandsmitglied der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Vielmehr sei der Konzentrationsprozess im Einzelhandel noch beschleunigt worden. Das sei auch an den Pleiten und leer stehenden Verkaufsflächen zu sehen. …

Quelle: Handelsblatt-online vom 01.06.2004

weiter liest man

Die Umsätze hätten sich allerdings vielfach nur verlagert – zu anderen Standorten und Tagen. „Der lange Samstag hat nicht aus der Krise heraushelfen können“. Die Verluste seien dadurch nicht ausgeglichen worden. Für kleinere Geschäfte sowie Unternehmen auf dem Land und in den Stadtrandlagen seien die längeren Öffnungszeiten außerdem weniger interessant. >>Auch mussten viel Läden dadurch schließen<<Diese versuchten nun, mit neuen Konzepten und gemeinsamen Aktionen die Konsumenten anzulocken.

Quelle: Handelsblatt-online vom 01.06.2004

In der TZ heißt es:

Wenn’s mal wieder länger dauert im Büro – steht der Münchner vor verschlossenen Türen! Nur in Bayern und dem Saarland gelten noch die alten Ladenöffnungszeiten. Und so kommt es, dass die Stuttgarter und Berliner teils bis Mitternacht in den Supermarkt gehen können – während dem Münchner nach 20 Uhr nur die überteuerte Tankstelle bleibt.

Quelle: TZ vom 22.11.2014

und so könnte ich die Liste ins unermessliche weiterführen. Mein Fazit zu den längeren Öffnungszeiten ist und jetzt heißt wieder mal Mensch sei wachsam. (Die neue Serie auf meinem Blog) Uns wird wieder ein vieles an Vorteile wie Freiheit, Unabhängigkeit, Bequemlichkeit und vieles mehr versprochen doch

der Preis ist das dies absolut auf die Last der kleinsten Einheit in unserem Staate geht – die Familie.

den jetzt hat der Papa auch keine Zeit mehr am Wochenende für seine Kleinen – entweder muss er im Handel arbeiten gehen oder eben gerade jetzt einkaufen. Zu meiner Kindheit wurden an den Wochenenden zwar nicht gerade pompöses aber immerhin etwas zusammen gemacht. Leider leiden die Jüngsten darunter am meisten und lernen auch nicht mehr richtig das Gefüge Familie kennen!

Ob dies eventuell gewollt ist ???? ich Ende wieder einemal mit dem Zitat von Heinz Erhardt:

Ein Schelm der Böses dabei denkt.

Heinz Erhardt

5 Kommentare

  1. Ich war lange im Verkauf, bis ich mich entschloss einen anderen Beruf zu ergreifen, wegen der Öffnungszeiten und ja, wegen dem immer respektloseren Verhalten der Kunden. Umsatz verschiebt sich nur. Dazu kommt, dass wertvolle Energie und Personalkosten verschwendet werden, bei gleichem Umsatz. Was wir erreicht haben ist, dass man nur noch “für heute” einkauft und kaum noch jemand im Verkauf tätig sein will. Bei uns werden wegen Personalmangel Filialen geschlossen. Und trotzdem stehen um Acht die Leute vor der Tür und klopfen noch.
    Verkauf, nie wieder!

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  2. Genau diesen Gedanken hatte ich auch schon. Es reißt die Familien noch weiter auseinander, schadet den Läden wegen der höheren Personalkosten mehr als dass es durch höheren Umsatz, den es de facto nicht gibt… schade, denn ein zurück gibt es wohl nicht mehr – oder doch?

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